Wollte man einst ein entferntes Reiseziel auf sicherem Weg erreichen, musste man mit der Natur und ihren Gegebenheiten bestens vertraut sein. Heute ersetzt ein modernes Smartphone mit GPS jegliche Umgebungskenntnis. Wollen wir ans Ziel kommen, geben wir einfach die Koordinaten in unser Navigationssystem ein und schon zeigt es uns die optimale Route an. Doch wohin führt uns das Navi, wenn unsere Zieladresse noch unsicher scheint; Ist unser Weg, der vor uns liegt glückverheißend? Wie sollte eine Maschine oder eine künstliche Intelligenz dies je beantworten können? Begibt man sich jedoch auf die Spuren der alten Drachen, können wir auch heute noch in den modernen Wandlungen des alten Klassikers, einen für uns günstigen Weg finden! Lese, wie sich das IGING selbst in den Jahrtausenden gewandelt hat.
Vor etwa fünftausend Jahren war es der mythische Urkaiser Fu Xi, der China in das moderne Zeitalter führte. Durch Beobachtung der Natur hatte er die acht Urzeichen (Bagua) des IGING nach dem Vorbild der Natur nachempfunden. Am Ufer des Gelben Flusses soll ihm ein drachenähnliches Wesen erschienen sein, dessen Rückenzeichnung (Ho Tu Plan), ihn zum Schreiben der ersten Zeichen und Zahlen inspirierte und damit auch Grundlage für das Buch der Wandlungen gewesen sein soll. Er ordnete die uns als die „Acht Unsterblichen“ bekannten Trigramme, das sind jeweils drei übereinander angeordneten unterbrochenen oder ganzen Linien, in der Reihenfolge des so genannten „frühen Himmels“ (Xian Tian) an. Himmel und Erde stehen sich ebenso wie Tal (See) und Berg, Feuer und Wasser sowie Donner und Wind in polarer Weise gegenüber. Diese alte Anordnung des Bagua wird bis heute zur Ermittlung günstiger spiritueller Orte, in China verwendet. Sie versinnbildlicht die für uns unfassbare Welt des Geistigen und Unantastbaren. Der Drache erwacht im Osten nach König Wen Wang. Zum besseren Verständnis stelle ich nachfolgend die Trigramme und Hexagramme in dualer respektive binärer Schreibweise dar. Die ganzen Linien symbolisieren dabei Yang und werden durch die ungerade Zahl Eins dargestellt. Die Eins zeigt den Fluss von Energie, einem eingeschaltetem Lichtschalter gleich, an. Fliest keine Energie, so wird dies durch eine geteilte Linie, respektive durch Null (000) angezeigt. Zur korrekten Identifizierung der Bilder liest man die Anordnung der Yang- und Jinstriche immer von unten nach oben von innen nach außen oder in Zahlen ausgedrückt von rechts nach links (321). Ordnet man jedem der vorgenannten acht Urzeichen jeweils ein weiteres hinzu, indem man die Trigramme hier am Beispiel Bild #11 übereinander stellt (000 111), so entstehen die 64 Hexagramme, die sogenannten Bilder des I Ging, die aus jeweils sechs unterbrochenen oder ganzen Linien bestehen können. König Wen Wang (ca.1150 v. Chr.) brachte einst die acht Urzeichen (Trigramme) in eine neue Reihenfolge, die nicht mehr polar und statisch, sondern nun in dynamischer Weise das Werden und Vergehen im Wandel des Menschseins zum Ausdruck bringen. Wenngleich die Oktagon Anordnung nicht zwangsläufig einen Start- und Zielpunkt erkennen lässt, findet man in der Anordnung des späten Himmels an Stelle des Himmels (111) als erstes Zeichen, den Donner (001). Mit dem ersten Lichtstrahl, der Morgens im Osten unseren Tag erhellt, erwacht der Glück verheißende, chinesische Drache und begleitet uns in den neuen Tag. Das Erbebende, der Donner steht damit für den Beginn des Handelns in der Anordnung des späten Himmels. Der Unsterbliche Zhongli Quan verkörpert in der Gestalt eines Generals das Urzeichen des Donners. In seiner Hand trägt er einen Bambusfächer mit dem er den Wind und das Meer kontrolliert. In dieser Anordnung folgt dem Donner der sich sanft im Morgengrauen ausdehnende Wind (110). Beide Zeichen zusammen gehören hierbei der Wandlungsphase Holz an und symbolisieren organisches Wachstum und das Frühjahr. Im Süden steht als drittes Urzeichen das anhaftende Feuer (101) für die heiße Mittags- oder auch Sommerzeit. In der kommenden Phase reifen alle Pflanzen durch die Kraft der Sonne auf den Feldern der Erde heran. Die empfangende Erde (000) zeigt sich im nachfolgenden Urzeichen wie eine hochschwangere Frau in voller Blüte, dem Vollmond gleich, der von der Sonne beschienen, den Nachthimmel erhellt. Das Urzeichen See (011), das in dieser Anordnung im Westen liegt und auf die Freude bringende Zeit der herbstlichen Ernte verweist, lässt die auf der Erde gereiften Erträge für die nachfolgende kalte Jahreszeit als Vorrat zurücklegen. Ein kleiner Teil der Ernte wird als Saatgut für das nachfolgende Jahr bereitgestellt und verweist auf den nachfolgenden neuen schöpferischen Prozess, der mit dem Urzeichen Himmel (111) im Norden einhergeht. Die Saat des Himmels wird nun nach unten gerichtet in Mitten der Erde eingebracht und zeigt das Urzeichen des Wassers (010). Die Grundbedeutung des chinesischen Schriftzeichens Kan oder Gan bedeutet gemäß den Veröffentlichungen des Sinologen Georg Zimmermann auch Loch oder Grube, oder im weiteren Sinne Absturz. Es liegt daher nahe, dass dieses Urzeichen mit Abgrund und Gefahr assoziiert wird. In diesem Zusammenhang scheint es jedoch auf die Rillen im Erdboden zu verweisen, die der Bauer mit viel Schweiß und Mühen in seine Felder pflügt, um die Aussaat unter die Erde zu bringen. Zeitgeschichtlich gesehen lässt sich aber auch erkennen, dass alles Leben einst im Wasser entstand, um später das Land zu erobern. Dieser Vorgang brauchte in der Entstehungsgeschichte unserer Erde Jahrmillionen. Im IGING drückt sich dieser langsam reifende Schatz im Urzeichen des ruhenden Berges (100) aus. Betrachtet man den Weg der Erde um die Sonne, so vergeht ein ganzes Jahr, bis nach einer Zeit der Erstarrung und Ruhe ein neuer Lebenskreislauf beginnt und der Drache erneut aus seinem Winterschlaf erwacht.
Philosoph Shao Yong
IGING mit dualen Zahlen
Im 11. Jh. unserer Zeitrechnung ersetzte der chinesische Philosoph Shao Yong alle Linien des IGING durch ein duales Zahlensystem. Er ordnete der ganzen Linie die Zahl Eins und der unterbrochenen Linie die Zahl Null zu. Wie im letzten Kapitel erwähnt, kann Eins als das Lichte (Strom an) und Null für das Dunkle (Strom aus) betrachtet werden. Ersetzt man nun alle 64 Bilder des IGING durch dieses duale Zahlensystem, so erhält man Zahlenkolonnen, die wie folgt aussehen: 111 111, Bild #1 „Das Schöpferische“, 000 000, Bild #2 „Das Empfangende“, 010 001, Bild #3 „Die Anfangsschwierigkeit“ usw. bis hin zu Bild #64, 101 010 „Vor der Vollendung“.
Gottfried Wilhelm Leibniz
vom IGING zum Binärcode
Als der Jesuitenpater Joachim Buovet im 17. Jh dem Philosophen und Mathematiker Gottfried Wilhelm Leibniz das Konzept des IGING mit seinen 64 Bildern übermittelte, war Leibniz vom Zahlencode des IGING nachhaltig beeindruckt und entwickelte in der Folgezeit mehrere Erfindungen, wie beispielsweise eine funktionierende mechanische Rechenmaschine mit deren Hilfe es möglich war, grundlegende Rechenoperationen wie beispielsweise das Multiplizieren durchzuführen. Beim Experimentieren mit Zahlen fand Leibniz heraus, dass sich mathematische Berechnungen einfacher mit binären Zahlencodierungen durchführen lassen. Er war damit maßgeblicher Wegbereiter unserer heute im täglichen Gebrauch eingesetzten Computer. Unser modernes Leben, unsere Computertechnik, die Erkenntnisse in der Medizin und unsere menschliche DNA sind genau genommen Weiterentwicklungen und Wandlungen der ursprünglich angenommenen Wahrheiten des IGING. Als praktisches Navigationssystem auf Reisen und im Leben hilft es uns noch immer den günstigsten Weg zu unserem Ziel zu finden. (uw)