Kampfkunstlehrer haben bei der Technikvermittlung für ihre Schüler eine hohe Verantwortung. Als Trainer sollte man sich auch in juristischer Sicht dieser Verantwortung immer bewusst sein. Allerdings zählen Kampfkünste nicht zu den zahlenmäßig verletzungsintensiven Sportarten. Klassische Budo-Disziplinen wie Hapkido, Karate oder Judo sind im Verhältnis zu Fußball, Handball oder Tennis statistisch eher ungefährlich. Allerdings kann es natürlich bei Fallübungen, Würfen, Griff-und Würgetechniken, Schlägen und Tritten, die beim Hapkido zum Repertoire gehören, zu Sportverletzungen kommen. Ursachen sind oft Unachtsamkeit, nicht optimal ausführte Angriffs- und Verteidigungstechniken, nicht hinreichender Ausbildungsstand oder mangelnde Fitness/Reaktionsschnelligkeit. Vom Kampfpartner verursachte blaue Flecke, Zerrungen, Schwellungen und leichte Überdehnungen usw. können durchaus einmal „normale“ und akzeptierte Begleitumstände eines intensiven Kampfkunsttrainings sein. Es geht schließlich teilweise auch um eine „Abhärtung“. Da dadurch das Wohlbefinden des Verletzten nur für kurze Zeit und nicht erheblich beeinträchtigt wird, wird die juristische Geringfügigkeitsgrenze schon kaum erreicht. [1] Eine Haftung des Trainers und des Kampfpartners scheiden dann von vorneherein aus. Normale Kampfblessuren werden nach dem Selbstverständnis der Beteiligten beim Hapkido gelassen hingenommen. Technische Fehler beim Ansetzen und Durchführen bestimmter Griff- und Wurftechniken sind schließlich kaum vermeidbar, so dass deren Vermeidung als solche nicht bereits zu den von den Kämpfern zu beachtenden Verkehrspflichten gehören. Es können aber leider in seltenen Fällen auch schwere Sportunfälle zwischen Kampfsportlern vorkommen. Unabhängig von der Schwere der Verletzung geht die Rechtsprechung davon aus, dass nicht gehaftet werden muss, wenn man sich an die sportlichen Regeln des Hapkido gehalten hat. Man darf also z.B. bei Hebeln nicht über den erkennbaren Schmerzpunkt hinausgehen und immer ein Anklopfen strikt beachten. Absprachen zu einer Übung müssen eingehalten werden, ein Trainer muss auf besondere Gefahren hinweisen und immer den Ausbildungsstand und die individuellen Fähigkeiten der Beteiligten im Blick haben. Juristisch von zentraler Bedeutung ist der Aspekt der Einwilligung. Wer Kampfkunst betreibt, willigt in ein immer bestehendes Verletzungsrisiko sein und kann nicht für jede Verletzung jemanden haftbar machen. Das normale Lebensrisiko bei der Ausübung von Kampfsport kann einem niemand abnehmen. Es gibt insoweit einen relativ großen Haftungsfreiraum, wenn alle sich an die Regeln und Fairnessgrundsätze gehalten haben und unglücklicherweise ein schwerwiegenderer Sportunfall beim Hapkido eintritt[2]. In der Sprache des höchsten deutschen Zivilgerichts: Schädiger und Geschädigter setzen sich bei der Kampfkunst in gleichem Maß einem Risiko aus, welches sich nur zufällig beim schließlich Geschädigten realisiert. Es wäre dann unbillig, wenn der Schädiger haften müsste [3]. Solche Fälle sind dann in der Praxis abzugrenzen von Fällen, wo eindeutig Sorgfaltspflichten durch einen Kampfkunstlehrer verletzt wurden.
Kampfkunstlehrer haben natürlich besondere Sorgfaltspflichten, die sich z.B. auch auf den ordnungsgemäßen Zustand von Trainingsgegenständen wie etwa Stöcken erstrecken. Die Beweislast für deren Verschulden liegt regelmäßig beim Verletzten. In der Praxis führt oft eine nicht erfolgte oder missverständliche Erklärung und Trainingsanweisung dazu, dass eine Übung zur Verletzung führt. Manchmal werden von Kampfkunstlehrern auch mögliche Fehlreaktionen eines Schülers und z.B. dessen mangelnde Fitness und Beweglichkeit oder sein (geringer) Ausbildungsstand nicht hinreichend einkalkuliert. Die juristischen Grundsätze sollen anhand von einigen Beispielsfällen aus der Rechtsprechung erläutert werden. Sie stammen aus verwandten Zweikampfsportarten wie z.B. Judo, Jiu-Jitsu, Taekwondo und Karate, da veröffentlichte Haftungsfälle aus dem Hapkido nicht bekannt sind, was man als gutes Zeichen werten kann. Die nachfolgenden Haftungsgrundsätze aus anderen Budo-Bereichen sind aber juristisch ohne Einschränkung auf das Hapkido übertragbar.
In einem tragischen Fall des OLG Köln war es so, dass bei einer Wurftechnik eines Karatelehrers sein Schüler eine Fraktur des sechsten und siebten Halswirbels erlitt als er mit dem Kopf voran auf die Trainingsmatte stürzte. [4] Die Selbstverteidigungsübung sollte aufzeigen wie man sich aus einem Schwitzkastengriff befreit. Im Gerichtsverfahren hatte der Kampfkunstschüler geschildert, wie ihn der Kampfkunstmeister (7. Dan Karate) vorgerufen und ohne nähere Erklärung aufgefordert habe, den Arm um seinen Hals zu legen. Dann habe der Kampfkunstlehrer ihn hochgeschleudert, was im Endergebnis zur Querschnittslähmung führte. Das Gericht urteilte mit Recht, dass der auf Schadensersatz und Schmerzensgeld verklagte Kampfkunstlehrer seine Sorgfaltspflichten verletzt hatte. Ohne Erklärungen die Übung durchzuführen und Fehlreaktionen seines Schülers dessen plötzliche Drehbewegung – nicht einzukalkulieren, führe zur Haftung. Der Kampfkunst-Sachverständige hatte im Prozess das Fehlen von Sicherungsmaßnahmen bemängelt, also z.B. die Wahl der Variante des gemeinsamen zu-Boden-gehens mit dem Schüler. Der Kampfkunstlehrer wurde zur Schmerzensgeldzahlung usw. verurteilt [5].
In einem anderen Fall hatte ein Student bei einem „Kampfkunst-Schnuppertraining“ durch den Kampfkunstlehrer einen Riss des vorderen Kreuzbandes und eine Meniskusverletzung erlitten. [6] Er hatte beim geschädigten Judo-Anfänger bei einer Demonstration plötzlich die sog. „Große Außensichel“ durchgeführt. Durch fehlende Kenntnisse des Studenten von Falltechniken kam es zum Unfall. Der Kampfkunstlehrer trug vor, er habe wegen des „stabilen Standes“ des Studenten geglaubt, dieser habe Judokenntnisse. Das Gericht entschied, ihm habe der Anfängerstatus klar sein müssen. Der Aspekt des Haftungsausschlusses, wie er bei gleichgeordneten Kampfpartnern eingreifen könne, komme im Verhältnis Kampfkunstlehrer-Kampfkunstschüler nicht in Betracht [7]. Das Gericht verurteilte die den Kampfkunstlehrer zur Haftung, da er leichtfertig handelte und das Fairnessprinzip verletzt habe. Dieser Fall zeigt anschaulich, wie wichtig eine vernünftige Kommunikation zwischen Kampfkunstlehrer und Schüler ist. Im Zweifel ist immer vom Kampfkunstlehrer bei Übungen mit hohem Verletzungspotential abzuklären, welchen Ausbildungsstand und körperlichen Zustand aktuell ein Schüler hat.
Das Landgericht Karlsruhe hat wiederum die Besonderheiten betont, wenn beim Kampfkunsttraining ein Sparring durchgeführt und dabei vom Kampfkunstlehrer ein Schüler verletzt wird: “Auch wenn es sich um ein Sparringstraining gehandelt hat, bei dem unter wettkampfähnlichen Bedingungen mit Vollkontakt gekämpft wird, war der Beklagte aufgrund seiner Stellung als Lehrer und der damit verbundenen überlegenen Trainingserfahrung und Geübtheit verpflichtet, auf die unterlegenen Fähigkeiten des Klägers Rücksicht zu nehmen und Schläge nicht mit einer solchen Kraft anzubringen, dass sie bei Deckungsfehlern des Klägers- mit denen nach den Umständen zu rechnen war- zu ernsthaften Verletzungen führen.“ Auch hier musste der Kampfkunstlehrer zu Recht haften.
Die Haftung von Kampfkunstlehrern hat aber auch deutliche Grenzen und muss sie auch haben. Das OLG Köln hat z.B. entschieden, dass ein Judolehrer nicht haftet, wenn er eine dem Trainingsaufbau und Ausbildungsstand des Schülers angemessene gefährliche Übung anordnet. Hierbei muss der Kampfkunstlehrer Faktoren wie temporäre Krafterschöpfung des Schülers, mangelnde Technik und mögliche Fehlreaktionen berücksichtigen. Der Judolehrer hatte den sog. Seoi-Nage-Wurf angeordnet, der von einem fortgeschrittenen Judoschüler (Braungurt) mit dem dabei schwerer verletzten Kläger durchgeführt wurde. Indizien, dass der Kläger notwendige Falltechniken nicht beherrschte oder zu erschöpft war, hatte es nicht gegeben. Hier hat sich das normale Risiko der Ausübung von Kampfkünsten, was hingenommen werden muss, realisiert. Das OLG Hamm urteilte ebenfalls, dass ausnahmsweise in einem Anfängerkurs in der Kampfsportart Shaolin-Kempo ein Überkopfwurf nicht zur Haftung des Übungsleiters gegenüber einem dabei verletzten Kampfsportschüler führt, wenn der geworfene Anfänger bereits eine ausreichende Fallschule absolviert hat. In dem Fall hatte die Klägerin einen Bruch im Bereich der Brustwirbelsäule erlitten. In einem Fall des LG Trier hatte wiederum jemand im Trainingskampf beim Taekwondo keine Sicherheitsschuhe (sog. Safeties) getragen; das Anspringen des Trainingspartners führte bei diesem zur Unterschenkelfraktur. Das Gericht entschied, dass dem Übungsleiter zwar die Pflicht zukomme, auf spezifische Gefahren hinzuweisen und für vorschriftsmäßiger Kleidung zu sorgen. Der verletzte Kläger habe sich den Unfall als sehr erfahrener Taekwondokämpfer aber selbst zuzuschreiben, weil er sich ohne Sicherheitsmaßnahmen auf den Kampf eingelassen habe. Aus dem Urteil: „Die Führung einer Sportschule für Kampfsportarten begründete zwar für den Beklagten, der zudem Trainingsleiter ist, die Rechtspflicht, schädigende Ereignisse von den Schülern fernzuhalten. Die führt aber nicht dazu, dass der Beklagte für alle erdenklichen Schäden einzustehen hat.“ Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen. Man kann als Kampfkunstschüler nicht jede Eigenverantwortung beim Kampfkunstlehrer „abgeben“.
Fasst man die Rechtsprechung zur Haftung von Kampfkunstlehrern zusammen, ergeben sich folgende Grundsätze:
1. Wer Kampfkunst betreibt willigt in ein gewisses Risiko der Verletzung ein und kann nicht für jeden Trainingsunfall den Kampfkunstlehrer verantwortlich machen. Der Eigenverantwortung von Kampfkunstschülern kommt ein hohes Gewicht zu.
2. Kampfkunstlehrer müssen verletzungsträchtige Übungen sehr sorgfältig erklären und müssen immer den Ausbildungsstand des Schülers und deren mögliche Fehlreaktionen von vorneherein berücksichtigen.
3. Erkennbar unkonzentrierte und übermäßig erschöpfte Schüler sind vom Kampfkunstlehrer von verletzungsträchtigen Übungen auszunehmen.
4. Im Zweifel ist bei Schülern genau nachzufragen und zu klären, wie ihr Ausbildungs- und Fitnesszustand ist.
5. Eine sorgfältige „Überwachung“ des gesamten Trainingsgeschehens ist Grundpflicht eines jeden Kampfkunstlehrers.
6. Beim „Sparring“ mit Schülern hat der Kampfkunstlehrer Schläge und Tritte so dosiert / kontrolliert durchzuführen, dass etwaige Deckungsfehler des Schülers nicht zu schweren Verletzungen führen.
7. Bei höherem Ausbildungsstand eines Schülers dürfen auch angemessene „gefährliche“ Übungen entsprechend dem Ausbildungsstand durchgeführt werden, weil die damit verbundenen Risiken zum normalen Kampfkunstrisiko zählen.
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[1] BGH NJW 1993,2173
(geringfügige Platzwunde);
BGH NJW 1983,2939
(unerhebliche Blutergüsse)
[2] OLG Köln VersR 1983,929;
Palandt/Thomas, 66. Aufl. 2007,
§ 823 BGB Anm. X
[3] BGHZ 63,144; OLG Celle
NJW-RR 2000,559
[4] OLG Köln VersR 1983,929
[5] OLG Köln VersR 1983,929
[6] OLG Celle NJW-RR 2000,559
[7] OLG Celle NJW-RR 2000,559
Die Notwehrrechte und die Ausübung durch Kampfkünstler Teil 1 (yido.eu)
Haftung von Kampfkunstschülern und Haftung bei Kampfkunst-demonstrationen - Teil 3 (yido.eu)