Momentan bin ich im dritten Trimester schwanger. Wie sehr ich mich auch freue über das kleine Wesen in mir, durch unangenehmes Verhalten durch außenstehende Personen hatte ich teilweise mit meinen Gefühlen zu kämpfen. Immer mehr bemerkte ich die Grenzüberschreitungen und meine daraus entstehende Überforderung. Das veranlasste mich im Allgemeinen darüber zu Sprechen. Egal ob Schwanger oder nicht, fast jeder kämpft mit Menschen im Umfeld, die die eigenen Grenzen nicht respektieren.
Ich habe versucht die unterschiedlichen Grenzüberschreitungen für mich zu sortieren um Lösungswege finden zu können. Mich hat es emotional belastet, vielleicht auch verstärkt durch die Hormone in der Schwangerschaft. Als erstes waren die ungefragten Berührungen am Bauch auffällig. Sie sind äußerlich spürbar und somit präsenter. Interessanterweise haben dies hauptsächlich eher fremde Frauen gemacht. Ich kannte sie und versteh mich oberflächlich gut mit ihnen, jedoch ohne zu fragen und übergriffig schnell an meinen Bauch zu fassen war doch zu viel. Vielleicht kennst du das von Arbeitskollegen, eine Berührung am Arm, die du nie von dir aus initiierst. Magst du das wirklich oder hättest du lieber keinen Körperkontakt? Vielleicht ist es auch eine Umarmung von einem Bekannten, die du lieber nicht eingehen würdest. Wenn du dich bereit fühlst, schließe gerne die Augen und fühle in dich hinein. Wie geht es deinem Körper momentan? Sind deine Grenzen stark und spürbar? Vielleicht schwanken sie auch ein wenig, dann kannst du dir bildlich eine Schutzhülle um dich herum vorstellen in der du sicher bist.
Oft haben Mitmenschen versucht mir vorzuschreiben was ich tun soll. Jedoch hat sich das im ersten Moment oft falsch angefühlt. Um in mir stark zu bleiben sagte ich mir innerlich, deiner Meinung nach. Es ist deine persönliche Meinung. Keine fachmedizinische Information auf dem aktuellen Stand, sondern deine persönliche. Ich bin ein erwachsener selbstständiger Mensch und ich habe das Recht mir meine eigene Meinung zu bilden und nach dieser zu handeln. Das wirkt vielleicht distanzierend, doch du musst es nicht aussprechen, wenn du es denkst reicht das meistens schon. Um nach diesen Auseinandersetzungen wieder Stabilität und Selbstvertrauen zu erlangen habe ich mir vorgestellt unter meinem Füßen wachsen Wurzeln. Diese Übung habe ich in meinem letzten Artikel genauer beschrieben. Sie hilft wieder in dir anzukommen und auf dein eigenes Gefühl zu hören.
Vor allem zu Beginn hatten wir viel Kontakt zu Ärzten und Arzthelferinnen. Nach diesen Besuchen war einerseits die Informationsflut überfordernd, doch auch das weg lassen von wichtigen Informationen hat mich wütend gemacht. Ich fühlte mich oft hintergangen. Das wäre mir nicht aufgefallen, wenn ich die Eigenverantwortung nicht so sehr priorisieren würde. Das ist mein Körper und meine Schwangerschaft, ich möchte entscheiden welche Untersuchungen durchgeführt werden. Nur weil die Ärztin gerne Ultraschall Untersuchungen macht, bedeutet das nicht, dass ich die allgemein empfohlene Anzahl von drei überschreiten werde. Das Hauptproblem hierbei war, dass ich nicht gefragt wurde. Es war eine Feststellung, sie, die Ärztin, führt bei jedem Besuch einen Ultraschall durch. Mir wurde die Alternative, einen Termin ohne Ultraschall, nicht vorgeschlagen. Das hatte zur Folge, dass wir Fachbücher gekauft haben und nur zu den Terminen gegangen sind, die uns dienlich waren. Um Information für mich sinnvoll zu nutzen habe ich oft eine Strategie angewandt. Oft bekam ich von der Frauenärztin oder einem Buch eine Information, die ich auf Google recherchiert habe, dann in einem Buch gegengeprüft und mich im Bekanntenkreis umgehört. Vor allem vom großen ins kleine gehen hat mir sehr geholfen. Ein gutes Beispiel dafür sind Geburtsverletzungen bei Frauen. Eine Studie kam darauf, dass 80% der Frauen Geburtsverletzungen haben. In Büchern wurden Geburtsberichte geschildert, die optimistischer waren. In meinem Bekanntenkreis, egal ob eine Generation vorher oder gleichaltrige, jede hatte bei der Erstgeburt Verletzungen. Das lässt die Zahl für mich glaubwürdig erscheinen. Welche Lösungsansätze bieten die Bücher? Was haben die Frauen bei ihren späteren Geburten anders gemacht, um keine Übergriffigkeiten zu erleben? So hat sich langsam von Woche zu Woche mein Wissen gesteigert. Ich wurde selbstbewusster, da ich nun gleich erkannte wann meine Grenze überschritten wird und ich sagen kann was ich möchte und was nicht. Wissen ist Macht, Macht um meine Grenzen gegenüber anderen klar zu definieren. Dadurch dass in mir Wut, Machtlosigkeit und Trauer vorherrschten habe ich versucht die Informationen sachlich zu sehen. Das gelingt mir bei den letzten grenzüberschreitenden Erfahrungen nicht.
Es waren überwiegend die Eltern, die traumatische Erfahrungen gemacht haben, die das Gespräch gesucht haben. Ohne zu fragen, ob ich ihre Geburtserfahrungen wissen möchte, erzählten sie mir nur die negativen Erlebnisse ihrer Geburt. Oft zwischen Tür und Angel wurde ich davon überrumpelt. In den nächsten Stunden hat es mich Unterbewusst beschäftigt und abends, als ich zur Ruhe kam, habe ich geweint. Mir tut es im Herzen weh, für die Mutter und das kleine Baby so etwas erlebt zu haben. Die Väter verteidigten meistens die Ärzte und Hebammen für ihr richtiges handeln. Ich wurde überfallen mit den negativen Informationen und wurde allein gelassen mit dem verarbeiten. So ist es vielleicht auch bei manchen Freundschaften, dir wird ungefragt ein Geheimnis eines anderen anvertraut und du wirst allein gelassen mit der Verarbeitung der Information. Du kannst nicht beeinflussen welche Information zu dir kommt oder ob du Teil der wissenden Personen sein möchtest. Unsere Gefühle, unsere Einstellung zu etwas beeinflusst maßgeblich den Erfolg bei dieser Sache. Deshalb überlege vorher, erzähle ich es auf eine Art und weiße, dass es Mehrwert für den gegenüber hat oder erzähle ich es aus Egoismus heraus, um Mitleid und Verständnis für meine schlimmen Erfahrungen zu bekommen. Leider reflektieren die meisten die Intension hinter ihren Schilderungen in Gesprächen nicht, doch wenn jeder versucht sich ab und an in die Lage des anderen hinein zu versetzen, bemerken wir vielleicht welche Gefühle das in jemandem auslösen kann. Denn es ist nicht dienlich mir ungefragt durchweg traumatische Erfahrungen zu schildern, von etwas das mir noch bevorsteht. Auch hier war das sammeln von Informationen die Lösung für mich, was kann ich anders machen um kein traumatisches Erlebnis erfahren zu müssen? Das aussprechen von meinen Gefühlen gegenüber einer vertrauten Person, in dem Fall meinem Mann, hat mir auch sehr geholfen. Manchmal ist es das Beste traurigen Gefühlen mit dem Aussprechen Raum zu geben, um Platz zu machen für andere Gefühle.
Ich glaube durch das bewusst machen von meinem Verhalten, kann ich ein Vorbild für andere sein. Das führt zwangsläufig auch dazu, dass du das einhalten deiner Grenzen einfordern kannst. Denn nur wenn du anderen ihren Freiraum gewährst, sind sie bereit dir deinen zu geben. Wenn ich eine ehrliche Absage für ein Freizeittreffen akzeptiere und verständnisvoll reagiere, kann mir dasselbe widerfahren. Wenn ich eingeschnappt und ich bezogen reagiere wird beim nächsten Mal meine Absage dieselbe Reaktion hervorrufen. Jeder Mensch ist individuell und nicht jeder besitzt die gleiche Größe wie du, doch ein bewusst machen und darüber sprechen schafft zumindest die Möglichkeit für einen harmonischeren respektvolleren Umgang.
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