I. Die Bedeutung der Gesundheit für das Kampfsport-Training
Bei der Ausübung von Kampfkünsten sollte jede Kampfsport- und Kampfkunstschule Wert auf hohe Standards im Bereich der Trainingslehre und Sportgesundheit legen. Wir möchten in dem Zusammenhang in medizinischer und rechtlicher Sicht anderen Kampfkunst- und Kampfsportschulen für ihre Tätigkeit Anregungen geben. Gleichzeitig möchten wird für das Thema „Sportgesundheit“ und „Trainingsunfälle“ besonders sensibilisieren. Ganz pragmatisch wird eine Liste von sinnvollen Ausrüstungsgegenständen für Erste-Hilfe-Maßnahmen vorgelegt, die in einer Kampfkunstschule vorgehalten werden sollten. Hierbei erheben wir nicht den Anspruch auf die Vollständigkeit unserer Vorschläge. Wir verstehen die Liste „nur“ als erfahrungsbasierte Anregungen für eine Basisausrüstung für Standardverletzungen beim Hapkido-Training. Schon die Beschäftigung mit einer solchen Vorschlagsliste ist sinnvoll, weil sie den Blick auf das Thema richtet. Im Idealfall mag der Leser seine „Ausrüstung“ überprüfen und vielleicht an der einen oder anderen Stelle ergänzen. Anzuraten ist auch immer eine Kooperation einer Trainingseinrichtung mit (Sport-)Ärzten. Zur Abrundung wird das Thema der „Sportgesundheit“ auch juristisch beleuchtet.
II. Hilfeleistungen bei Verletzungen
1. Trainingsverletzungen/Trainerausbildung
Die abnehmenden sensomotorischen Fähigkeiten der Kinder und Jugendlichen und die wachsende Zahl an erwachsenen Neueinsteigern bis hin zu Senioren, die Kampfkunst-/Kampfsportarten zum Zweck der Prävention und Rehabilitation entdecken, sind bei der Trainingsplanung und Durchführung des Trainings zu berücksichtigen. Aspekte der Gesundheitsförderung und Unfallvermeidung stehen im Vordergrund. Trainer/innen sehen sich im Rahmen ihrer Tätigkeit mit dem Risiko von möglichen Trainingsunfällen konfrontiert. Allerdings gehört Hapkido mit zu den gesundheitsfreundlichsten „Sportarten“ überhaupt. Trotzdem kann es natürlich zu Verletzungen kommen. Die Bandbreite reicht von Verstauchungen, Verrenkungen und Schwellungen bis hin zu Bänderverletzungen, Knochenbrüchen und Wunden. Im Extremfall kann es auf der Trainingsmatte auch zu einem Herz-Kreislauf-Stillstand kommen. Gemäß § 323c StGB sind Übungsleiter/innen zur Hilfeleistung im Rahmen der ihnen gegebenen Möglichkeiten verpflichtet. In „Notfällen“ kleinerer und größerer Art kompetent und sicher handlungsfähig zu sein, bedeutet neben der sportartspezifischen Kompetenz eine große Herausforderung an jede/n Trainer/in. Deshalb sollte die regelmäßige Teilnahme an einem aktuellen Erste-Hilfe-Lehrgang zur Grundqualifikation jeden Trainers gehören und Bestandteil jeder Trainerausbildung sein. Wichtig ist zudem eine „medizinische“ Grundausstattung am jeweiligen Trainingsort.
2. Sinnvolle Ausrüstungsgegenstände zur Ergreifung von Erste-Hilfe-Maßnahmen
Für die Hapkido- Trainingsorte ist das Vorhalten einer medizinischen Grundausstattung in Form von medizinischen Hilfsmitteln sinnvoll. Bei Trainingsunfällen kann dann schnell und sachgerecht gehandelt werden. Aufbauend auf langjährigen Erfahrungen werden nachfolgend Vorschläge für eine Basisausstattung gemacht. Die Liste ist nur als eine Anregung zu verstehen und erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Manche der vorgeschlagenen Ausstattungsgegenstände – wie etwa ein Defibrillator – werden sicher nicht von jeder Kampfkunstschule vorgehalten werden können, sind aber als solches insbesondere bei bestimmten Trainingsgruppenzusammensetzungen medizinisch sinnvoll.
Basisausstattung für Erste-Hilfe-Maßnahmen am Trainingsort
Einmalhandschuhe
Wärmedecken/Wärmefolien
Sterile Wundauflagen (10x10 cm)
Kopfverband (selbsthaftender Schlauchmull)
Brandwunden-Verbandspäckchen
Leichte Mullwickel zur Wundversorgung
Elastische Wickel (8cm Breite, 10cm Breite) für Kompressions- und Druckverbände
Leukoplast-Tape
Dentalbox
Zeckenzange
Pflaster (Wundschnellverband)
Schere für den Verbands- und Pflasterzuschnitt
Coolpacks (kühlschrankunabhängig) und in ausreichender Menge
Antiseptische Wundreinigungslösung
Schienen zur Ruhigstellung
Dreieckstücher (zur Ruhigstellung der oberen Extremitäten)
AED (Automatischer Externer Defibrillator)
Beatmungsmaske
Wetterfester Erste-Hilfe-Rucksack sowie Kleintransporttasche für Unterwegs
„Handytasche“ am Tragegurt für aufgeladenes Mobiltelefon
Notfallprotokolle, Notfalltelefonnummern, Merkkarten mit Wiederbelebungsablauf
Papier und Kugelschreiber, ggf. grober, wasserfester Folienstift
III. Sportunfälle wegen mangelnder Sportgesundheit
Asiatischer Kampfsport und asiatische Kampfkunst stellen hohe Anforderungen an die körperliche Gesundheit und Leistungsfähigkeit. Die Ausübung erfordert die Koordination des gesamten Körpers. Gerade der Muskel- und Gelenkapparat (einschließlich Sehnen, Bänder, Bandscheiben usw.) werden besonders gefordert. Auch das Herz-und Kreislaufsystem werden im Training und Wettkampf oft stark belastet. Außerdem muss man beachten, dass nicht jeder Sport für jeden nach seiner körperlichen Verfassung geeignet ist. Daher ist es grundsätzlich zu empfehlen, dass man von Schülern der Kampfkünste eine schriftliche Erklärung über ihre Sportgesundheit verlangt, wenn sie das Training in einem Kampfkunstverein aufnehmen. Ein Trainer kann nämlich auf orthopädische Beschwerden oder z.B. auf einen hohen oder niedrigen Blutdruck eines Schülers oder Einschränkungen wie Asthma nur eingehen, wenn ihm dies bekannt ist. Weiß ein Trainer um bestimmte Probleme – etwa einen früheren Bandscheibenvorfall im Nackenbereich – wird er beispielsweise bestimmte Fallübungen von diesem Schüler nicht verlangen oder ihn auf spezielle Risiken bei einzelnen Übungen ausdrücklich hinweisen. Dem Schüler können auch „leidensangepasste“ Übungen gezeigt werden. Verschweigt ein Schüler erhebliche Erkrankungen, die seine normale Sportgesundheit beeinträchtigen können, obwohl er danach gefragt wird, bewegt er sich im Bereich der Selbstgefährdung. Wer Kampfsport macht, tut dies freiwillig und auf eigenes Risiko. Kommt es später infolge des normalen, schulmäßigen Trainings bei ihm wegen seiner verschwiegenen Vorschäden oder aktuellen gesundheitlichen Probleme zu einer Verletzung oder Gesundheitsschädigung, kann zur Abwehr einer Haftung auf dieses persönliche Risiko des Schülers verwiesen werden. Schließlich war er es, der dem Trainer keine Möglichkeit gegeben hat, beim Training auf seine speziellen körperlichen Probleme durch Abschwächung der geforderten Trainingsintensität einzugehen und durch gezielte Übungen möglichst auszugleichen. Kommt der Schüler dann bei normalem Training durch seinen schlechten Körperzustand zu Schaden, kann er nach der Rechtsprechung kein Schmerzensgeld und keinen Schadensersatz verlangen.
Dies wurde auch von einem Landgericht für ein Fitnessstudio entschieden (LG Erfurt, Urt. v. 1.2.2006, 3 O 1890/05). Das Urteil ist ohne weiteres auf die asiatischen Kampfkünste und Kampfsport zu übertragen. In dem Fall war im Vertragsformular ausdrücklich danach gefragt worden, ob der künftige Studionutzer „sportgesund“ ist. Außerdem wurde in dem Vertragstext darauf hingewiesen, dass man als Studionutzer dann, wenn dies nicht der Fall ist, einen Arzt zu Rate ziehen soll. Die spätere Klägerin hatte eingangs der Aufnahme des Trainings an 5 Geräten unter Traineranleitung einen sogenannten Maximaltest vorgenommen. Auf dieser Basis sollte das individuelle Trainingsprogramm erstellt werden. Im Klageverfahren hat die Studionutzerin vorgetragen, sie habe aufgrund des Probetrainings und des folgenden Anschlusstrainings immer stärker werdende Muskelverspannungen und Nervenschmerzen erlitten, die bis in den rechten Arm und die Finger ausgestrahlt hätten. Sie verlangte von dem Studio u.a. ein Schmerzensgeld von mindestens 2000 Euro und rund 5.450 Euro, weil sie in der Krankheitszeit ihre Arbeiten im eigenen Haushalt nicht machen konnte.
Das Sportstudio verwies darauf, die Maximaltests ordnungsgemäß durchgeführt zu haben. Die Tests mit relativ kleinen Gewichten und das darauf beruhende Training seien nicht die Ursache der Beschwerden der Studionutzerin. Sie habe gesundheitliche Vorschäden gehabt, die sie dem Studio nicht korrekt mitgeteilt habe. Das Landgericht stellte fest, dass „der Trainerin der Beklagten keine Informationen vorlagen, aus denen sich für sie erkennbar ergab, dass die Klägerin aus orthopädischer Sicht auch mit den geringen körperlichen Belastungen überfordert sein könnte. “Die Klägerin habe selbst ausdrücklich erklärt, sportgesund zu sein. Bei Zugrundelegung dieser Umstände - so das Landgericht habe die Trainerin keine Pflicht gehabt, in besonderer Weise auf orthopädische Einschränkungen Rücksicht zu nehmen. Eine Veranlassung für einen Rat, von den Übungen an den Geräten Abstand zu nehmen, habe es für die Trainerin nicht gegeben. Das Gericht sah deshalb völlig zu Recht eine schuldhafte Selbstgefährdung der Klägerin, weil sie dem Studio verschwiegen hatte, dass sie immer wieder in der Vergangenheit wegen Rückenbeschwerden den Arzt aufgesucht hatte und sich Krankengymnastik und Massagen verschreiben ließ. Wer so handle, habe es sich selber zu zuschreiben, wenn sich Beschwerden aufgrund von Krafttests wieder einstellten. Das Sportstudio könne dafür nicht haftbar gemacht werden. Die Klage wurde vom Gericht abgewiesen. Das Gericht betont mit Recht die Selbstverantwortung von Sportlern. Auch der Bundesgerichtshof hat sich mit solchen Fragen beschäftigt. Er verlangt beispielsweise, dass man dann, wenn man als Sportler bei einem Training in schlechter körperlicher Verfassung ist, den Trainer informiert und bei gefährlichen Übungen von einer Trainingsteilnahme absieht (BGH, Versicherungsrecht 1982, 348 und 1984, 286). Die Richter entschieden, dass man in solchen Fällen vom Sportler erwarten könne, dass er mit dem Eingeständnis die „Hemmschwelle sportlichen Ehrgeizes überwindet“. Schließlich könne ein Trainer – so betont das Gericht- ohne Kenntnis der aktuellen körperlichen Verfassung für den Sportler beim Training nicht die richtigen Entscheidungen treffen. Man müsse schon mal den sportlichen Ehrgeiz zurückstellen, weil man sich sonst beim Sport dem Vorwurf schuldhafter Selbstgefährdung aussetzt.
Mehrfach haben Gerichte auch entschieden, dass man gerade beim Kampfsport auf seine eigenen körperlichen Anlagen Rücksicht nehmen muss. Wer z.B. anfällig ist für Knochenbrüche setzt sich beim Vollkontaktsystemen selbstverschuldet besonderen Risiken aus und kann dann kaum andere dafür haftbar machen. Nur wenn das Training und die Trainingsmethoden als solches fehlerhaft waren, weil z.B. der Ausbildungsgrad eines Schülers bei der Schwierigkeit und Gefährlichkeit einer Übung nicht beachtet wurde oder auf eine dem Trainer bekannte Erkrankung vom Trainer vorwerfbar nicht Rücksicht genommen wurde, kann es bei Verletzungen und Erkrankungen des Schülers zur Haftung des Trainers kommen.
Immer wieder ist aber zu betonen, dass ein Trainer, der bei einem Schüler erkennt (und erkennen kann), dass dieser einen schlechten körperlichen und gesundheitlichen Zustand hat, den Schüler aus dem Training nehmen sollte oder diesem nur ein eingeschränktes, angepasstes Training erlauben darf. Alle Kampfkunstschüler sind anzuleiten, aktuell den Trainer vor dem Training über gesundheitliche Probleme und Einschränkungen zu informieren.
IV. Erklärungen über die Sportgesundheit
Um die Haftungsrisiken für Kampfkunsttrainer, Vereine und gewerbliche Kampfsportschulen zu verringern, ist es sinnvoll von Kampfkunstschülern eine Erklärung über ihre Sportgesundheit zu verlangen, wenn sie um Aufnahme bitten. So kann man sich rechtlich absichern. Manchmal werden in der Sportpraxis relativ einfache und kurze Erklärungen wie die Folgende verwendet: „Ich erkläre hiermit, dass keine gesundheitlichen Hindernisse der Ausübung der Kampfkunst XY entgegenstehen.“ Dies erscheint nicht ausreichend. Man sollte z.B. in die Erklärungen aufnehmen, dass auch bei Übungsstunden die Schüler den Lehrer vor Trainingsaufnahme ungefragt auf aktuelle gesundheitliche Probleme und Einschränkungen hinweisen müssen. Dies ist auch eine Frage der „Kultur“ des Trainingsbetriebes. Außerdem sollte sich in solchen Erklärungen z.B. eine Passage finden, dass man als Kampfkunstschüler im Zweifel mit einem Arzt abklären muss, ob die Kampfkunst unbedenklich ausgeübt werden kann. Schließlich ist es auch sinnvoll, in der Erklärung ausdrücklich aufzunehmen, dass der Schüler darauf hingewiesen wurde, dass die jeweilige aktuelle Sportgesundheit Voraussetzung für das Training ist.
Die Autoren haben eine Art „Musterformular für Erklärungen zur Sportgesundheit“ erstellt. Es wurde vor dem Hintergrund praktischer Erfahrungen entwickelt. Das Formular gilt in abgeänderter Form auch für minderjährige Schüler; dort müssen die Eltern in deren Vertretung unterzeichnen. Mit einer solchen Erklärung zur Sportgesundheit dürfte eine weitreichende Absicherung von Vereinen und Studios im Bereich der Kampfkunst und des asiatischen Kampfsports vorliegen. Sie darf aber nicht dazu verleiten, davon abzusehen, bei jedem Training die individuelle Gesundheitssituation der Schüler als Trainer im Blick zu haben. Bei erkennbaren Einschränkungen der Sportgesundheit oder in Zweifelsfällen muss man als Trainer nachfragen. Schüler sind ggf. um einen Abbruch des Trainings zu bitten bzw. von der Matte nehmen, wenn ein gesundheitliches Risiko vorliegt. Dies ist Teil der Fürsorge des Kampfkunstlehrers für seine Schüler. Gegen eine vollständige oder teilweise Übernahme des nachfolgenden Textes durch andere Kampfkunstschulen bestehen keine Bedenken; eine Haftung der Autoren für die Verwendung ihres Textes wird allerdings ausgeschlossen.
„Erklärung über die Sportgesundheit"
Der Schüler wurde von der Kampfkunstschule X ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Training der Kampfkunst in der Einrichtung nur aufgenommen werden kann, wenn hiergegen aus ärztlicher Sicht keine Bedenken bestehen. In Zweifelsfällen hat der Schüler zur Abklärung der Sportgesundheit einen Arzt zu konsultieren und erforderlichenfalls seine Sportgesundheit durch Attest gegenüber der Kampfkunstschule X auf Anforderung nachzuweisen. Ungeachtet dessen erfolgt das Kampfkunsttraining auf eigene Gefahr und eigenes Risiko.
Hiermit erklärt der Schüler, dass er sportgesund ist (z.B. u.a. keine erheblichen orthopädischen oder internistischen Einschränkungen bestehen). Er verpflichtet sich ferner, seine Trainer und Trainerinnen vor dem jeweiligen Training und während des Trainings zu informieren, wenn es aktuelle Einschränkungen seiner körperlichen Belastbarkeit bzw. Sportgesundheit gibt bzw. sich solche während des Trainings entwickeln. Auch die Einnahme von Medikamenten, die ein Training ausschließen können oder nur eingeschränkt zulassen, ist mitzuteilen. Die Kampfkunstschule X behält sich vor, Schüler bei erkennbaren zeitweisen Einschränkungen der Sportgesundheit in deren eigenem Interesse nicht zum jeweiligen Training und Gürtelprüfungen zuzulassen, einen Trainingsabbruch zu veranlassen oder den Schüler von bestimmten Übungen auszuschließen. Der Schüler erklärt ausdrücklich sein Einverständnis zu diesem Vorbehalt. „Unterschrift/Datum“
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