Autsch, das tut weh. Wieder eine unachtsame Bewegung und schon schmerzt mein Unterarm. Ich frage mich, wann das mal wieder aufhört.
Wie gewohnt habe ich mir meine Gewichte geschnappt – nicht zu schwer, aber auch nicht zu leicht, da ich meine Muskeln effektiv trainieren will. Ich lege mich mit dem Rücken auf die angekippte Hantelbank und will die Hanteln kopfüber nach oben stemmen. Da sticht es im Arm. Seit Wochen habe ich dieses Problem. Ich habe mich wohl überanstrengt und nicht auf meinen Körper gehört. Missmutig verlasse ich die Station und suche mir ein anderes Trainingsgerät, welches meinen Arm nicht reizt.
Es ist das Laufband, das benutze ich immer zum Abschluss. Ganz hinten in der Ecke stehen drei Laufbänder mit modernen Touchscreen-Displays. Die finde ich besonders toll. Es gibt da eine Vielzahl von Einstellungsmöglichkeiten, wie Geschwindigkeit, Steigung, verschiedene vorprogrammierte Trainingsprogramme oder auch Unterhaltungsoptionen mit Internetzugang.
Mich interessieren die Laufprogramme. Ich stelle Dauer und Geschwindigkeit ein und hangele mich durch das Video-Angebot. Dann wähle ich Costa Rica und laufe am Strand entlang, vorbei an Felsen und schließlich durch den Dschungel. Der Weg ist lehmig und man ahnt eine hohe Luftfeuchtigkeit. Hier im Fitness Studio ist die Luft stickig. Es ist warm, die Fenster sind geöffnet, aber es kommt nicht genügend frische Luft herein.
Neben mir auf dem Laufband startet eine kleine energische Dame mittleren Alters. Sie stellt ihr Programm ein und benutzt dazu das Handy. Kann man auch machen, denke ich. Mir reicht die Auswahl des Gerätes. Was man alles neben dem Sport noch tun kann, ist schon jede Menge: Videos schauen, Podcast oder Musik hören, Fernsehen oder in einer gefilmten Welt laufen – so wie ich eben.
Über den Fitness-Geräten hängen drei Fernsehbildschirme: Auf dem ersten läuft eine Quiz-Show, der zweite zeigt die Nachrichten und auf dem dritten kommt Werbung über Protein Shakes, Fitness Rezepte und ein Gerät, welches man unter den Tisch stellen und im Sitzen benutzen kann.
Es ist ein Pedal-Trainingsgerät fürs Büro oder zu Hause – ein Art Fahrradfahren während man am Tisch sitzt. „Verbrennen Sie Kalorien und tun Sie etwas für Ihre Gesundheit und Produktivität während Sie arbeiten. Ein spezielles niedriges Design, das unter einen Schreibtisch passt und qualitativ hochwertig hergestellt ist, um sogar bei intensivem Training lärmarm zu bleiben. Das gelenkschonende Training kommt dem Körper zugute.“, heißt es in der Werbung. Wie soll das effektiv gehen - konzentriert Denken und gleichzeitig Treten? Das mit dem Multitasking bekomme ich nicht hin. Da komme ich doch lieber zum Sport hier her.
Die Dame neben mir ist am strammen Marschieren. Sie hat wohl ein hohes Gehtempo eingestellt. Plötzlich nehme ich seitlich eine heftige Bewegung wahr. Oh, sie fängt an, in die Luft zu boxen. Zack, zack – rechte Faust, linke Faust schießt nach vorn. Hauptsache sie trifft mich nicht. Die Geräte stehen hier sehr eng neben einander. Nach einer Weile hat sie sich ausgepowert und läuft nur noch auf dem Band weiter.
Bei mir erscheint eine rote Hängebrücke. Lianen hängen vom Baum herunter. Man, muss dort die Luft feucht sein. Es geht runter von der Brücke, der Weg ist glitschig. Ich laufe weiter.
Die Dame neben mir startet schon wieder mit der Luftboxerei. Diese Mal bin ich nicht erschrocken. Meine Arme sind voll ins Laufen eingebunden, ich schwitze und könnte nichts anderes nebenbei machen. Ich beobachte lieber die Leute, das reicht mir als Nebenbeschäftigung aus.
Ich denke an meinen schmerzenden Unterarm und dass ich mir vielleicht doch mal Hilfe holen sollte. Meine Schmerzcreme wirkt zwar, aber da es nicht immer so stark schmerzt, denke ich nicht daran. Eine Massage wäre gut. Das lockert die Muskeln. Es sind bestimmt Verspannungen und wie war das noch mal mit dem Dehnen?
Rechts neben mir auf dem Laufband gibt es ab jetzt keine hektischen Bewegungen mehr. Ich genieße meinen Lauf am Strand entlang. Das ist wohl der Rückweg, nehme ich an. Bald bin ich da und habe mein Pensum absolviert. Ich kann stolz auf mich sein. Währenddessen ist meine Nachbarin verdächtig still. Ich riskiere einen Blick zu ihr. Habe ich richtig gesehen? Sie hat ein großes Sudoku auf ihrem Schirm. Ja, die Zeit muss man optimal nutzen. Schließlich lebt man länger, wenn man Sport macht. Nur dass man die Zeit, die man länger lebt, im Fitness Studio verbringt! Hauptsache gesund, denke ich und steige vom Laufband runter. Ich schnappe mein Handy und mache mir eine Notiz für mein Arm-Problem.
In der Umkleide begegne ich drei jungen Mädchen. Aufgeregt zeigen sie sich gegenseitig Selfies, die sie auf Instagram teilen wollen. Während die eine sich die Lippen mit einem Lippenstift nachzieht, sprüht die andere sich mit Deo ein. Auch eine Art von Sport, schießt es mir durch den Kopf und ich steuere auf meinen Schrank zu. Es ist voll in der Umkleide. Die Schränke sind fast alle besetzt und es gibt kaum Platz zum Umziehen. Das wird sich bald wieder legen, beruhige ich mich, denn die Monate Januar bis März sind die schlimmsten – Jahresanfang halt.
Auf dem Weg zum Drehkreuz aus dem Studio eilen zwei junge Männer an mir vorbei. Ich gehe eine Treppe runter, da warten sie vor dem Fahrstuhl. Ich nehme die restlichen zwei Treppen und laufe nach unten. Als ich am Fahrstuhl vorbei gehe, öffnete sich dieser langsam. Zwei bekannte Gesichter schauen mich an. Die Jungs sehen noch fit aus – die brauchen doch keinen Fahrstuhl! Kopfschüttelnd verlasse ich das Gebäude.
Ich freue mich auf meinen Abend und darüber, dass ich wieder etwas für mich und meine Gesundheit getan habe. Jetzt nur noch drei Dinge: Protein Shake, Sofa, Füße hoch!