Page 19 - 2019-03
P. 19

Gerhard E. Hermanski  Dr. jur. Jörg-Michael Günther
 8. Dan Hankido Hapkido,  Juristischer Beirat der Bundesakademie
 CEO der Bundesakademie  koreanischer Kampfkünste
 Von Dr. Jörg-Michael Günther und GM Gerhard E. Hermanski  koreanischer Kampfkünste  Autor und Dozent im Sport- und Strafrecht
 Lehrtrainer für Sicherheits-,  1. Dan Hanguldo 2. Kup Hankido Hapkido
 Personenschutz- und Justizausbildung

 Die Gewaltbereitschaft und die  perfekt und dosiert zu kämpfen in  wichtig, die Rechtslage zu ken-  gelmäßig nicht strafbar. Gewalt  aussetzen. Dies wird
 Anzahl der Körperverletzungsde-  der Lage ist. Dies ist jedoch nicht  nen. Die juristischen Aspekte des  darf mit Gewalt erwidert werden.  dem Verteidiger recht-
 likte haben in den letzten Jahren  unbedingt der Fall: Kein Mensch,  Notwehr- und Nothilferechts nach  Das Recht braucht dem Unrecht  lich nicht zugemutet, zumal
 stetig zugenommen, wobei insbe-  der eine Kampfkunst oder einen -  § 32 StGB oder § 227 BGB soll-  nicht zu weichen.  ein Warnhinweis dem Angegriffe-
 sondere die gefährliche Körper-  sport ausübt, wird dadurch zu ei-  ten in einer qualifizierten BUDO  Es muss zunächst eine Notwehr-  nen das wichtige Überraschungs-  cherheit abwendbar, ist von ei-
 verletzung, also Angriffe mit  nem unüberwindlichen Hindernis.  Ausbildung zum Ausbildungsplan  lage bestanden haben, d.h. der  moment bei seiner Verteidigung  nem Brechen des Handgelenks
 Messern, Waffen oder sonstigen  Dies gilt unabhängig von der Stu-  gehören.  Kampfkünstler muss sich einem  nehmen würde. Die Verteidigung  oder der massiven Verletzung an-
 gefährlichen Werkzeugen besorg-  fe der Graduierung, die man er-  gegenwärtigen, rechtswidrigen  würde ineffektiver. Schnelle Wurf-  derer Körperteile abzusehen.
 niserregend angestiegen sind.  reicht hat. Auch das Handeln  Nach den Lehren des Budos ist  Angriff ausgesetzt gesehen ha-  techniken, Tritte und Schläge und
 Das Ideal von einer sicheren und  eines hoch graduierten Schwarz-  der Kampf der beste, welcher erst  ben (§ 32 StGB). Es gibt dann -  das Anwenden schmerzhafter He- Dies aber nur, wenn für den Bu-
 ruhigen Gegend löst sich spätes-  gurtträgers wird in der realen Ge-  gar nicht stattfindet. Soweit es  entgegen landläufiger Meinung-  beltechniken, die gerade das  doka mit seinen spezifischen Fä-
 tens dann in Luft auf, wenn man  fahrensituation von gewissem  geht, sollte man also versuchen,  vor der Anwendung von Verteidi-  Hapkido ausmachen, sind effekti-  higkeiten und körperlichen
 selbst Opfer eines Gewaltüber-  Stress und Nervosität beeinflusst  realen Konfrontationen auszuwei-  gungs-und Angriffstechniken für  ver, wenn der Angreifer beim „Op-  Voraussetzungen die Zeit zur Ein-
 griffs geworden ist und möglicher-  sein. Letztendlich bleibt jeder Bu-  chen und entstanden Konfliktsitu-  den Budoka keine besondere  schätzung der Gefährlichkeit vor-
 weise noch mit Spätfolgen einer  doka ein Mensch, der sich oder  ation möglichst zu beruhigen.  Warnpflicht gegenüber dem An-  handen ist und sachgerechte
 Verletzung zu kämpfen hat. Im-  andere gegen oft zu allem bereit  Zwar muss nach der Rechtspre-  greifer. Man muss nicht erst den  Handlungsalternativen vorliegen,
 mer wieder stellt sich die Frage,  seiende straßenkampferprobte  chung niemand, der angegriffen  Angreifer darauf hinweisen, dass  die einen ebenso sicheren Erfolg
 wie sich gerade für Kampfkünst-  Täter plötzlich verteidigen muss.  wird, „schmächlich fliehen“. Ein  man Kampfsport oder Kampf-  wie die gefährlichere Technik ga-
 ler die Rechtslage bei Not(wehr)  Hierbei kann – auch rechtlich-  Ausweichen ist aber für jeden  kunst beherrscht. Schon gar nicht  rantieren. Dies hängt immer von
 situationen darstellt oder wenn  nicht erwartet werden, dass ein  Budo-Kämpfer regelmäßig der  muss man – wie aber oft zu hören  der gesamten Kampfsituation ab.
 man in Nothilfe anderen ange-  Budoka immer perfekt seine  klügere Weg. Wer –auch bei  ist – als Budoka dreimal den An-  Es gibt eine extreme Vielfalt ge-
 griffenen Personen hilft. Im Trai-  Kampfkunsttechniken souverän  schon laufenden Kampfhandlun-  greifer gewarnt haben, bevor man  fährlicher Angriffe. Werden vom
 ning erlernt der Budoka, wie er  dosiert. Der Beitrag stellt die Re-  gen – als BUDOKA ein Flucht-  sich wehrt. Man braucht als Ange-  Straftäter z.B. die Hände zum
 sich gegen verschiedene Angriffe  gelungen des Notwehrrechtes  fenster findet, sollte die  griffener nicht das Risiko auf sich  Hals des Opfers geführt, ist klar,
 zur Wehr setzen kann. Was im  und der Nothilfe dar und betrach-  Gelegenheit wahrnehmen. Wenn  nehmen, dass ein Angreifer sich  dass er die Absicht hat, das Opfer
 Training spielerisch seinen Ab-  tet hierbei besonders die Frage,  man allerdings als Hapkidoin ei-  gerade durch einen solchen  schwer zu verletzen. Hier kann
 schluss findet, endet im wirklichen  ob überhaupt und wenn ja welche  nem im Gesetz so genannten  Warnhinweis herausgefordert und  und darf vom Verteidiger mit äu-
 Leben für den sich gegen einen  Besonderheiten dabei für Kampf-  „gegenwärtigen rechtswidrigen  provoziert fühlt. Ein solcher Hin-  ßerster Bestimmtheit und Härte
 Angriff nur wehrenden Budoka  künstler gelten.  Angriff“ ausgesetzt ist und sich  weis könnte den Angriff gerade in-  reagiert werden. Bei Angriffen mit
 mitunter auf der Polizeidienststel-  wehrt oder einer angegriffenen  tensiver machen (BGH, NStZ  Waffen oder Angriffen durch meh-
 le oder sogar vor Gericht. Gerade  Notwehr durch Budosportler  Person hilft (Nothilfe), steht einem  1999, 64). Als Beispiel kann der  fer“ gerade damit nicht rechnet.  rere gefährliche Personen kann
 der Budoka stellt sich hier nun zu  das Notwehrrecht vollständig zur  Fall herangezogen werden, wo  Bei einer sehr hohen Graduierung bei jedem Ausbildungsgrad regel-
 Recht die Frage, was ihm vorge-  Oft wird verbreitet, dass im aufge-  Seite. Wenn man sich in solchen  der Schläger gerade erst auf-  oder wenn jemand nachgewiese-  mäßig sofort die effektivste und
 worfen werden kann, wenn er die  zwungenen Straßenkampf bzw.  Angriffssituationen mit Verteidi-  grund der Warnung des Kampf-  nermaßen umfangreiche Kampf-  gefährliche Technik angewendet
 im Training erlernten Techniken in  bei realen Angriffen die Sonderfä-  gungswillen zu Wehr setzt und  sportlers ein Messer zieht oder  praxis aus Wettkämpfen hat, wird  werden, um den Angriff sicher zu
 Notwehrlagen offensiv anwendet.  higkeiten von Kampfkünstlern –  den Angreifer durch Hiebe und  eine versteckt mitgeführte Pistole  allerdings möglichweise ein Ge-  beenden. Eine Eigengefährdung
 Irrtümlicherweise nimmt die Ge-  etwa im Bereich Hapkido – auto-  Hebeltechniken etc. verletzt oder  verwendet. Gerade durch die  richt im Einzelfall vom sehr erfah-  wird dem Angegriffenen von der
 sellschaft und mancher Richter  matisch zu deren gesteigerten  in extrem gefährlichen Situatio-  Warnung könnte sich der Verteidi-  renen Kämpfer erwarten, dass er  Rechtsprechung regelmäßig nicht
 an, dass jeder Budoka eine kriti-  Verantwortung oder verschärften  nen mit Messer oder Schuss-  ger also der besonderen Gefahr  vor dem Ergreifen der gefährlichs- zugemutet. Wenn mehrere Mittel
 sche oder gefährliche Situation  Haftung führen würden. Dies ist  waffeneinsatz des Angreifers  einer Verletzung oder eines er-  ten Techniken mildere Techniken  den Angriff gleich sicher abweh-
 besser und schneller einschätzen  falsch und führt zur unnötigen  diesen sogar im Ausnahmefall mit  folgreichen Angriffes durch den  anwendet. Ist z.B. ein Angriff  ren, ist das mildere Mittel zu wäh-
 kann und in jedem Straßenkampf  Verunsicherung. Es ist daher  Kontertechniken tötet, ist man re-  zur Gewalt entschlossenen Täter  durch eine Haltetechnik mit Si-  len. (Weiterlesen auf Seite 20)


 18 H A P K I D O - M A G A Z I N . d e 2 0 1 9 - 3             H A P K I D O - M A G A Z I N . d e 2 0 1 9 - 3 19
   14   15   16   17   18   19   20   21   22