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Gerhard E. Hermanski Dr. jur. Jörg-Michael Günther
8. Dan Hankido Hapkido, Juristischer Beirat der Bundesakademie
CEO der Bundesakademie koreanischer Kampfkünste
Von Dr. Jörg-Michael Günther und GM Gerhard E. Hermanski koreanischer Kampfkünste Autor und Dozent im Sport- und Strafrecht
Lehrtrainer für Sicherheits-, 1. Dan Hanguldo 2. Kup Hankido Hapkido
Personenschutz- und Justizausbildung
Die Gewaltbereitschaft und die perfekt und dosiert zu kämpfen in wichtig, die Rechtslage zu ken- gelmäßig nicht strafbar. Gewalt aussetzen. Dies wird
Anzahl der Körperverletzungsde- der Lage ist. Dies ist jedoch nicht nen. Die juristischen Aspekte des darf mit Gewalt erwidert werden. dem Verteidiger recht-
likte haben in den letzten Jahren unbedingt der Fall: Kein Mensch, Notwehr- und Nothilferechts nach Das Recht braucht dem Unrecht lich nicht zugemutet, zumal
stetig zugenommen, wobei insbe- der eine Kampfkunst oder einen - § 32 StGB oder § 227 BGB soll- nicht zu weichen. ein Warnhinweis dem Angegriffe-
sondere die gefährliche Körper- sport ausübt, wird dadurch zu ei- ten in einer qualifizierten BUDO Es muss zunächst eine Notwehr- nen das wichtige Überraschungs- cherheit abwendbar, ist von ei-
verletzung, also Angriffe mit nem unüberwindlichen Hindernis. Ausbildung zum Ausbildungsplan lage bestanden haben, d.h. der moment bei seiner Verteidigung nem Brechen des Handgelenks
Messern, Waffen oder sonstigen Dies gilt unabhängig von der Stu- gehören. Kampfkünstler muss sich einem nehmen würde. Die Verteidigung oder der massiven Verletzung an-
gefährlichen Werkzeugen besorg- fe der Graduierung, die man er- gegenwärtigen, rechtswidrigen würde ineffektiver. Schnelle Wurf- derer Körperteile abzusehen.
niserregend angestiegen sind. reicht hat. Auch das Handeln Nach den Lehren des Budos ist Angriff ausgesetzt gesehen ha- techniken, Tritte und Schläge und
Das Ideal von einer sicheren und eines hoch graduierten Schwarz- der Kampf der beste, welcher erst ben (§ 32 StGB). Es gibt dann - das Anwenden schmerzhafter He- Dies aber nur, wenn für den Bu-
ruhigen Gegend löst sich spätes- gurtträgers wird in der realen Ge- gar nicht stattfindet. Soweit es entgegen landläufiger Meinung- beltechniken, die gerade das doka mit seinen spezifischen Fä-
tens dann in Luft auf, wenn man fahrensituation von gewissem geht, sollte man also versuchen, vor der Anwendung von Verteidi- Hapkido ausmachen, sind effekti- higkeiten und körperlichen
selbst Opfer eines Gewaltüber- Stress und Nervosität beeinflusst realen Konfrontationen auszuwei- gungs-und Angriffstechniken für ver, wenn der Angreifer beim „Op- Voraussetzungen die Zeit zur Ein-
griffs geworden ist und möglicher- sein. Letztendlich bleibt jeder Bu- chen und entstanden Konfliktsitu- den Budoka keine besondere schätzung der Gefährlichkeit vor-
weise noch mit Spätfolgen einer doka ein Mensch, der sich oder ation möglichst zu beruhigen. Warnpflicht gegenüber dem An- handen ist und sachgerechte
Verletzung zu kämpfen hat. Im- andere gegen oft zu allem bereit Zwar muss nach der Rechtspre- greifer. Man muss nicht erst den Handlungsalternativen vorliegen,
mer wieder stellt sich die Frage, seiende straßenkampferprobte chung niemand, der angegriffen Angreifer darauf hinweisen, dass die einen ebenso sicheren Erfolg
wie sich gerade für Kampfkünst- Täter plötzlich verteidigen muss. wird, „schmächlich fliehen“. Ein man Kampfsport oder Kampf- wie die gefährlichere Technik ga-
ler die Rechtslage bei Not(wehr) Hierbei kann – auch rechtlich- Ausweichen ist aber für jeden kunst beherrscht. Schon gar nicht rantieren. Dies hängt immer von
situationen darstellt oder wenn nicht erwartet werden, dass ein Budo-Kämpfer regelmäßig der muss man – wie aber oft zu hören der gesamten Kampfsituation ab.
man in Nothilfe anderen ange- Budoka immer perfekt seine klügere Weg. Wer –auch bei ist – als Budoka dreimal den An- Es gibt eine extreme Vielfalt ge-
griffenen Personen hilft. Im Trai- Kampfkunsttechniken souverän schon laufenden Kampfhandlun- greifer gewarnt haben, bevor man fährlicher Angriffe. Werden vom
ning erlernt der Budoka, wie er dosiert. Der Beitrag stellt die Re- gen – als BUDOKA ein Flucht- sich wehrt. Man braucht als Ange- Straftäter z.B. die Hände zum
sich gegen verschiedene Angriffe gelungen des Notwehrrechtes fenster findet, sollte die griffener nicht das Risiko auf sich Hals des Opfers geführt, ist klar,
zur Wehr setzen kann. Was im und der Nothilfe dar und betrach- Gelegenheit wahrnehmen. Wenn nehmen, dass ein Angreifer sich dass er die Absicht hat, das Opfer
Training spielerisch seinen Ab- tet hierbei besonders die Frage, man allerdings als Hapkidoin ei- gerade durch einen solchen schwer zu verletzen. Hier kann
schluss findet, endet im wirklichen ob überhaupt und wenn ja welche nem im Gesetz so genannten Warnhinweis herausgefordert und und darf vom Verteidiger mit äu-
Leben für den sich gegen einen Besonderheiten dabei für Kampf- „gegenwärtigen rechtswidrigen provoziert fühlt. Ein solcher Hin- ßerster Bestimmtheit und Härte
Angriff nur wehrenden Budoka künstler gelten. Angriff“ ausgesetzt ist und sich weis könnte den Angriff gerade in- reagiert werden. Bei Angriffen mit
mitunter auf der Polizeidienststel- wehrt oder einer angegriffenen tensiver machen (BGH, NStZ Waffen oder Angriffen durch meh-
le oder sogar vor Gericht. Gerade Notwehr durch Budosportler Person hilft (Nothilfe), steht einem 1999, 64). Als Beispiel kann der fer“ gerade damit nicht rechnet. rere gefährliche Personen kann
der Budoka stellt sich hier nun zu das Notwehrrecht vollständig zur Fall herangezogen werden, wo Bei einer sehr hohen Graduierung bei jedem Ausbildungsgrad regel-
Recht die Frage, was ihm vorge- Oft wird verbreitet, dass im aufge- Seite. Wenn man sich in solchen der Schläger gerade erst auf- oder wenn jemand nachgewiese- mäßig sofort die effektivste und
worfen werden kann, wenn er die zwungenen Straßenkampf bzw. Angriffssituationen mit Verteidi- grund der Warnung des Kampf- nermaßen umfangreiche Kampf- gefährliche Technik angewendet
im Training erlernten Techniken in bei realen Angriffen die Sonderfä- gungswillen zu Wehr setzt und sportlers ein Messer zieht oder praxis aus Wettkämpfen hat, wird werden, um den Angriff sicher zu
Notwehrlagen offensiv anwendet. higkeiten von Kampfkünstlern – den Angreifer durch Hiebe und eine versteckt mitgeführte Pistole allerdings möglichweise ein Ge- beenden. Eine Eigengefährdung
Irrtümlicherweise nimmt die Ge- etwa im Bereich Hapkido – auto- Hebeltechniken etc. verletzt oder verwendet. Gerade durch die richt im Einzelfall vom sehr erfah- wird dem Angegriffenen von der
sellschaft und mancher Richter matisch zu deren gesteigerten in extrem gefährlichen Situatio- Warnung könnte sich der Verteidi- renen Kämpfer erwarten, dass er Rechtsprechung regelmäßig nicht
an, dass jeder Budoka eine kriti- Verantwortung oder verschärften nen mit Messer oder Schuss- ger also der besonderen Gefahr vor dem Ergreifen der gefährlichs- zugemutet. Wenn mehrere Mittel
sche oder gefährliche Situation Haftung führen würden. Dies ist waffeneinsatz des Angreifers einer Verletzung oder eines er- ten Techniken mildere Techniken den Angriff gleich sicher abweh-
besser und schneller einschätzen falsch und führt zur unnötigen diesen sogar im Ausnahmefall mit folgreichen Angriffes durch den anwendet. Ist z.B. ein Angriff ren, ist das mildere Mittel zu wäh-
kann und in jedem Straßenkampf Verunsicherung. Es ist daher Kontertechniken tötet, ist man re- zur Gewalt entschlossenen Täter durch eine Haltetechnik mit Si- len. (Weiterlesen auf Seite 20)
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