Page 13 - 2024-01
P. 13

viele Dinge, die es überhaupt nicht ins Be-
 Dieser kurze,                                                 wusstsein schaffen. Auf der einen Seite auch

                                                               gut, damit dieser Overkill an Eindrücken uns
                                                               nicht noch zusätzlich überfordert. Das schaffen
                                                               wir ja meist bereits bestens selbst mit dem
 banale Moment                                                 Blick aufs Handy. Dem checken, was der Typ,

                                                               den ich vor 14 Jahren im Surf Camp kennenge-
                                                               lernt und nie wieder gesehen habe, heute zum
                                                               Frühstück gegessen hat. Ist das eigentlich
                                                               wichtig? Und ich? Weiß ich eigentlich noch, was
 Hannes Hofmann                                                ich heute auf meinem zweiten Frühstücksbrot

                                                               hatte? Puh, da wird’s schon fast eng.

                                                               Was heißt also nicht suchen? Nicht suchen
 Ich stehe also in der Küche, kurz davor den   das? Keine vernebelte Innenwahrnehmung.   heißt spüren. In uns hinein. Dieses Gefühl
 Kaffeevollautomaten wieder einzuschalten, den   Das ist es. Das ist was man nach meiner, nun   wahrnehmen, welches in uns aufpoppt, wenn
 ich in der Früh bereits abgeschaltet habe. „Ich   schon ein Jahr anhaltenden Phase, des Su-  wir mal wieder, wie auf der Verhaltensauto-
 trinke ja heute Vormittag eh keinen Kaffee   chens und Findens, braucht, um das Glück das   bahn, den einstudierten Abläufen folge leisten.
 mehr“. Und doch stehe ich wieder hier. Aber   eigene Leben erfüllen zu lassen. Eine klare   Dieses Gefühl zulassen. Diesem Gefühl einfach
 irgendwas ist anders. Ich halte für eine Sekun-  Innenwahrnehmung.  mal folgen. So wie früher. So wie bevor wir
 de inne. Irgendetwas passt nicht. Mein Zeige-                 verlernt haben zu tun was uns selbst guttut.
 finger schwebt etwa zwanzig Nanometer über   Aber es kommt noch besser, das Universum -   Auf uns zu hören, zu achten und zu vertrauen.
 dem Einschaltknopf und ist gefühlt nur noch so   oder wer auch immer - legt noch einen drauf:
 weit wie eine Synapse der anderen entfernt.   Ich merke wie ich mich jedes Mal, wenn ich mir
                                                               Das Glück kommt. Ganz von allein. Wir müssen
 Eigentlich springt das Dröhnen und Rödeln der   meinen Lieblingstee aufbrühe, fast wie ein
                                                               nur lernen es wieder zuzulassen. Mit offenen
 Maschine doch hier eh schon an. Wir beide   kleiner Junge voller Vorfreude die Teebeutel-
                                                               Kanälen dem Leben begegnen und intensiv
 verstehen uns blind. Ich suche nach der Befrie-  verpackung aufreiße, die Beutelschnur entwirre
                                                               leben. Das Glück steckt schon in uns. In jedem
 digung des Kaffees und meine Maschine weiß   und mein Blick, fast wie als Kind der erste Blick
                                                               von uns.
 genau was sie dafür zu tun hat.  auf den geschmückten Weihnachtsbaum, auf
 die kurze, meist zum Nachdenken anregende
                                                               Du musst nur lernen es wieder rauszulassen.
 Warum drücke ich den Knopf also nicht? War-  Weisheit auf der Rückseite des Etiketts fällt:
 um halte ich diesen Bruchteil einer Sekunde
                                                               Hannes Hofmann
 inne und mache mir nicht einen weiteren, nach   „Glücklich ist,
 Schokolade- und Kaffeebohnen duftenden, mit   wer nicht nach Glück sucht“.
 herrlicher Crema abgerundeten Kaffee?
 Boah, das ist ein Brett. Echt jetzt? Ist das so?
 Irgendetwas hält mich davon ab. Ich suche   Das hatte ich irgendwie anders erwartet. Der
 wandernden Blickes.  Verstand fängt wieder an zu analysieren.
 Selbst hier. Selbst auf der Rückseite eines
 Tee. Da springt für einen Bruchteil einer Se-  einfachen Tee-Etiketts, was doch eigentlich gar
 kunde ein Funken in meinen Kopf. Tee. Der   keine große Aufmerksamkeit bräuchte, suche
 Verstand kommt hinzu und startet einen weite-  ich.
 ren sinnsuchenden inneren Dialog: „Ich habe
 ohnehin schon wieder das Gefühl übersäuert zu   Aber doch. Genau das. Genau das ist es, was
 sein. Meinem Blutdruck würde die ausgelasse-  den Unterschied macht. Nicht suchen; zulas-  Tee-Zeit &
 ne Koffeinspritze bestimmt auch nicht scha-  sen. Viel zu schnell ziehen doch einzelne Sin-
 den“. Außerdem liebe ich Ginko-Tee. Und   neseindrücke in einer vernichtenden Vielzahl
 dieser wurde auch noch passenderweise „Kla-  unbemerkt an uns vorbei. Jeden Tag sehen,
 rer Geist“ getauft. Klarer Geist. Was bedeutet   hören, schmecken und riechen wir so unzählig   Gedanken






 1 2  Y I D O   m i n d s e t                                                      Y I D O   m i n d s e t  1 3
   8   9   10   11   12   13   14   15   16   17   18